Eine zarte Erinnerung (ABC-Etüde)

Wenn die Zeiten nicht so sind, wie sie für die eigene Wenigkeit und den Planeten wünschenswert wären, wenn sich Sorgen, Herausforderungen und dringend zu Erledigendes wie ungezogene Kinder vor einer Rutsche gegenseitig wegschubsen, besteht höchste Gefahr die Vergangenheit süßlich zu verklären, als habe in den Jahren in dem kleinen Haus permanent die Sonne geschienen und alles sei stets und immer in Schmetterlingswolken gehüllt gewesen

Als hätte ich zwei, drei Jahre keinen Anlass zum Fluchen gehabt, niemanden unnütz im Streite verletzt und keine Nachtgespenster im Bett gehabt. Als sei das Artensterben lediglich ferner Horror gewesen, nur weil hier noch Kiebitze waren und viel mehr Fledermäuse und Libellen.

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Beschützer der Feen (ABC-Etüde)

So früh im Jahr hatten die Bienen noch nie wild in die Honigräume gebaut, das Entfernen der süßlich duftenden Waben ist schwierig, das Brausen der Bienen das reinste Fluchen. Sie hätten früher reinschauen sollen, eine der viel zu vielen Überraschungen in diesem April.

Lilli, Julian, kommt, lernt unsere Jungfeen kennen!

Vom Quittenbaum winkt Cardámine, die Fee, drei zarte Feen mit blitzblanken Flügeln neben sich.

Darf ich vorstellen? Muscarí, Centauréa und Fingerhut. 

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Beschützerin der Feen (ABC-Etüde)

Süßlich schwimmt Fliederduft durchs Fenster, Aprilflieder und Märzkälte, auf nichts ist mehr Verlass.

Neun ist es schon und Imke liegt im Bett. Um sechs hat sie in Nachthemd und Anorak die Hühner rausgelassen, den Hund gefüttert. Um die Bienen kümmern sich zum Glück noch immer Julian und Lilli.

Spät ist sie gestern vom Fähranleger zurückgekehrt, hatte ihren Jüngsten stolz umarmt, ihm viel Glück für sein Freiwilliges Ökologisches Jahr auf der vogelprallen Insel gewünscht.

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Weißer Sonntag

Der Erzählvogel klopft seiner in letzter Zeit so untreuen Geschichtenaufschreiberin mit dem Schnabel auf den Kopf, nicht besonders brutal, er ist ein durch und durch sanftmütiges Wesen, selbst wenn er allen Grund hat sich zu beschweren. 

Es ist der siebte April, meine Liebe, Mitternacht, jetzt hat das auch keinen Sinn mehr, geh ins Bett.

Das Badezimmer ist abgeschlossen, den Schlüssel habe ich dem besten Mitbewohner zur Koboldabwehr gegeben und nun kann ich mir nicht die Zähne putzen.

Was ist denn das für eine lahme Ausrede noch weiter Löcher in die Luft zu starren? du hat eine Zahnbürste in deiner Arbeitstasche, nutze die und gehe schlafen

Ich bin zu müde ins Bett zu gehen, außerdem wollte ich noch meine Etüde zu Ende schreiben.

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Netter

Nachdem ich die letzten Tage kaum fassen konnte, dass die Verhaltensmaßstäbe für die Aufnahme in eine Kinder-und Jugendpsychiatrie deutlich höher zu liegen scheinen als beispielsweise für die Teilnahme an einer Klassenreise, habe ich nun eine kleine Überraschung erlebt.

Die Ärztin hat mich wie vereinbart noch einmal angerufen. Als erstes staunte ich, dass sie , obwohl sie mehrfach zwischendurch telefoniert oder andere dringende Sachen erledigt hatte, mir sehr genau und differenziert zugehört hatte.

Sie hatte mir geglaubt, dass mit dem Weglaufen mittlerweile halbwegs im Griff zu haben, aber die aufnehmende Station sei nicht überzeugt.

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Das Entlastungsparadox

Frau Fundevogel, Sie brauchen mehr Entlastung“

Wie oft gehört? 

Wie oft zustimmend dazu genickt?

Es ist ja wahr.

Das Leben mit dem Kleinen Fundevogel oder viel mehr mit der Last, die dieses kleine Vögelchen mit sich rumschleppen muss, ist anstrengend und drei Stunden Schule am Tag sind verdammt wenig.

Nie kann man wissen, welcher Impuls welchen Kobold wohin springen lassen wird, welche Regel wann, wie und wo des Teufels sein wird, welches Räuspern des Universums die ganz große Verweigerung auslösen wird, die, die sich anfühlt, als ginge es um Leben und Tod.

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Voll unnett


Warnung: Dieser Beitrag enthält deutliche Spuren schlechter Laune! Und ist vielleicht ganz bestimmt auch nicht ganz ausgewogen.

Wir laufen dann endlich wieder zur U-Bahn, der kleine blaue Elefant in den Händen des Kleinen Fundevogels, schlägt im Rhythmus unserer Schritte einen Salto nach dem anderen.

Die war aber voll unnett, sagt der Kleine Fundevogel.

Hm, denke ich, nett war sie eigentlich.

Ich dagegen war bestenfalls noch gut erzogen.

Da zerrt man also nach zehn Monaten Wartezeit überpünktlich, obwohl auf dem Krankenhausgelände verirrt, einen widerstrebenden nur durch eine restlose entleerte Trickkiste irgendwie bewegten Kleinen Fundvogel zum Vorgespräch ins Koboldkrankenhaus., den Ausdruck mit den vorbestellten Blutwerten und einen EKG-Befund wie erwünscht im Gepäck.

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Nach dem Abendbrot unsichtbar (ABC-Etüde)

Es begab sich aber, dass es in unsere Stadt fünf Menschen widerfuhr, nach dem Abendbrot unsichtbar zu werden, ein Zustand, der anhielt bis der Morgen graute. Eine wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen wurde niemals gefunden, weil niemand danach suchte.

Der 87-jährige H. bemerkte es gar nicht. Nachdem Tod seiner Frau schlurfte er abends durch seine Wohnung, brachte alles hinter sich, bevor er den Fernseher einschaltete und auf das Ende des Tages wartete. Nur dass die Katze seit einiger Zeit die Luft anmiaute, wenn sie einen Nachschlag wollte, wunderte ihn, aber die wurde auch nicht jünger.

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Geisterstunde (ABC-Etüde)

Fröstelkalt, doch viel zu warm für eine Februarnacht. Die Feinstaubbelastung ist hoch. Das Barometer geht in die Knie. Der Hund von rechts unten kläfft. Leise zischelt ein Spuk durch die Heizung, spuckt CO2 in die traurige Luft.

Diffus streicht durch den Kopf ein kleines Weh. Die Wärmflasche ist zu heiß geraten für die klammen Zehen.

In die Decke rollen, steinmüde eben noch, jetzt herzklopfwach.

Wisperworte, heizungsszischelnde Wisperworte verspinnen sich mit dem Weh, Licht an, Handy an, Wispern schrumpft zum Heizungszischeln.

Das hilflose Zurechtweisen der Hundebesitzer übertönt rechts unten den Hund.

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